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Neue Sterne

Das Ende eines Jahres ist in der Regel die Zeit der Spekulationen. Vorhersagen sind schwierig; Vermutungen sind leichter.

Noch nie gab es weltweit so viel finanzielle Liquidität: Wird sie auch in Zukunft die Kreditaufnahme, die ja auch eine Verschuldung ist, beflügeln?

Diktaturen haben schon lange nicht mehr so sehr auf ihre Regierungsform gepocht, die ihrer Meinung nach effizienter ist als die der Demokratien: Werden die Freiheiten erneut triumphieren?

In jüngster Zeit haben die Rivalitäten zwischen den Mächten den Geruch von Konflikten wiedergefunden: Werden Zusammenarbeit, Dialog und das wohlverstandene Interesse der Nationen weiterhin siegen?

Da wir Weihnachten feiern, sollten wir uns über die neuen Sterne am europäischen Himmel freuen.

Europa hat sich als solidarisch mit denjenigen seiner Bürger erwiesen, die am schlimmsten von einem hartnäckigen Virus betroffen waren. Es hat schnell entschieden, gemeinsam Kredite aufgenommen und sich gegenüber neuen Feinden standhaft gezeigt. Diese neuen Praktiken brachten es dazu, einen Sprung in Richtung mehr Integration zu machen; aus Notwendigkeit ebenso wie aus Weisheit. Die Mobilisierung all seiner Kräfte und die Bejahung seiner Macht sind die besten Mittel, um das Zugehörigkeitsgefühl bei seinen Bürgern zu wecken, welches es ihr ermöglichen wird, schneller voranzukommen.

Trotz neuartiger Gesundheitsauflagen bleiben Demokratien der Traum, den sich die Menschen im Wachzustand gegen die freiheitsberaubenden Maßnahmen von Autokraten wünschen. Diktaturen, zum Beispiel in Asien, haben gezeigt, dass sie den westlichen Demokratien in nichts nachstehen. Sie haben das Virus versteckt und ihre Bürger eingesperrt. Mit einem Ergebnis, das sie lieber nicht preisgeben möchten.

Viele lassen im großen internationalen Geschehen die Muskeln spielen, doch nur wenige gehen das Risiko ein, einen Konflikt auszulösen. Wer kann schon von sich behaupten, vor nicht allzu langer Zeit einen Krieg gewonnen zu haben? Niemand. Die Zeit ist nach wie vor reif für erzwungene oder gewünschte Zusammenarbeit und nicht für das Testosteron von Macho-Rhetorik. Man spricht über die Grenzen hinweg miteinander. Vorsicht ist geboten. Die Weiblichkeit Europas ist seine Überlegenheit.

So könnte die Europäische Union, die oft so schnell verunglimpft wird, ihrer Flagge, die ihre Inspiration verkörpert, neue Sterne hinzufügen. Sie ist weiterhin vorne mit dabei und leuchtet am Himmel. Nun muss sie einen Optimismus schaffen, den ihre beschützten und verwöhnten Bürger scheinbar nur schwer aufbringen können. Dabei ist unsere Zukunft bei genauerem Hinsehen alles andere als düster. Nur noch ein paar Anstrengungen: Das Licht leuchtet am Ende des Weges.

Frohe Weihnachten!
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