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Und sie bewegt sich doch!

Angeblich sagte Galileo Galilei diesen Satz, nachdem seine Inquisitoren ihn gezwungen hatten, seine wissenschaftliche Schlussfolgerung zu widerlegen, dass die Erde die Sonne umkreist. Dies will man auch nach dem Ende der europäischen Wahlen herausschreien, die mit der Ernennung eines neuen Teams an der Spitze der europäischen Institutionen, abgeschlossen sind.

Bei den Europawahlen lag die Wahlbeteiligung bei 51%, ein Anstieg um mehr als 8 Punkte, wodurch dem Parlament eine neue Legitimität verliehen wurde. Die angekündigte euroskeptische Welle brach über die Versammlung, in der 67,5% der Mitglieder Pro-Europäer sind, nicht herein. Die Bürger haben ihr Vertrauen in den Aufbau der Gemeinschaft zum Ausdruck gebracht, den sie für selbstverständlich halten und von dem sie viel erwarten.

Während die großen Parteien einen starken Rückgang bei der Gunst der Wähler erleben, der mit einem wachsenden Misstrauen gegenüber Politikern einhergeht, setzt sich die neue Mehrheit im Parlament stark für den Erfolg des europäischen Projekts ein.

Die Ernennung der zukünftigen Leiter der gemeinsamen Institutionen erfolgte, entgegen den Bemerkungen, auf mehr als ehrenhafte Weise. Drei Sitzungen der Staats- und Regierungschefs, von denen nichts verborgen blieb, reichten aus, um hochrangige Persönlichkeiten mit herausragenden Verantwortlichkeiten zu ernennen. Letztendlich war der Ablauf sehr transparent und sehr demokratisch, da das Europäische Parlament die Kandidaten bestätigen muss. Die Besonderheit des Verfahrens steht im Gegensatz zu allem, was in den Mitgliedsstaaten bekannt ist, und hat das Potenzial, für Verwirrung zu sorgen. Wir können uns über die Relevanz, ja sogar die Behäbigkeit des Prozesses Gedanken machen; dennoch steht er im Einklang mit dem, was die Europäische Union ist - eine freiwillige Union von Staaten, die versuchen, ihre Ressourcen für mehr Effizienz zu bündeln. Getrieben von einer guten Absicht wollten die Abgeordneten ihre Bedingungen durchgesetzt sehen. Das Anliegen war noch ein wenig verfrüht; aber warum soll dieses System in Zukunft nicht funktionieren, wenn es eines Tages nur einen kontinentalen Europawahlkampf geben wird und nicht nur nationale Wahlen, die sich summieren! Die Staats- und Regierungschefs haben vier Persönlichkeiten ausgewählt, darunter zwei Frauen, die Europa auf der internationalen Bühne perfekt verkörpern werden.

Denn in diesem Herbst beginnt eine neue Phase der europäischen Politik. Nachdem sich Europa auf den Abbau von Barrieren und die Befriedung des Kontinents konzentriert hat - eine beispiellose historische Leistung -, muss es sich nun entschlossener in der Außendarstellung zeigen und Ideen für die Zukunft entwickeln. Sein gesamtes Gewicht für die Stärkung der internationalen Beziehungen zu nutzen bedeutet, seine Autonomie zu verfestigen und seine gesamten Trümpfe zur Förderung der europäischen Werte und Interessen einzusetzen. Die zwei an der Spitze stehenden Frauen verkörpern diese Werte und werden besonders gut gerüstet sein, um die Ablehnung dieser Männer dominierten, gefährlichen und von veralteten Egos geprägten Welt entgegenzutreten, die uns von einigen Seiten aufgezwungen werden soll…. Den Weg in die Zukunft zu beschreiten bedeutet, den Wettkampf im Bereich der Digitalisierung anzunehmen und durch Innovation zu gewinnen. Die Europäer sind bereits im Besitz aller nötigen Mittel, um dies zu erreichen; die Intelligenz, die Menschen, das Wissen. Es liegt an ihnen, die Mittel zu mobilisieren und gegen die Monopole vorzugehen. Es erfordert Fingerspitzengefühl, aber auch Entschlossenheit und Überzeugungskraft. Das designierte Führungsteam besitzt alle diese Eigenschaften.

Bei all diesen Entwicklungen hat die Kritik an den zynischen und desillusionierten Eliten nie nachgelassen, wie bereits in den vergangenen 70 Jahren. Es gibt mürrische Menschen, die ihre gewohnten Strukturen nicht mehr in der jetzigen EU wiederfinden und für die das alte System der Nationalstaaten viel relevanter war. Dem entgegen können wir das Vertrauen der Völker in die Union und insbesondere in den Euro - ihre föderalste Politik - setzen.

Wir können ihnen wiederum zuflüstern: „Europa? Und es bewegt sich doch“! Und zwar recht gut!
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