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Erleben wir das Ende der angelsächsischen Vorherrschaft?

Europa durchlebt eine wahrhaftige Revolution.


Neue Anführer übernehmen Verantwortung. Sie sind jung, pragmatisch, weniger ideologisch, offen und modern. Leo Varadkar (38), der neue irische Premierminister, Juri Ratas (38), der estnische Premier, Emmanuel Macron (39), der französische Präsident, Charles Michel (41), der belgische Premier, Matteo Renzi (42), Rückkehrer in Italien, Xavier Bettel (44), der luxemburgische Premier und, der jüngste unter ihnen, Sebastian Kurz (30), der neue Vorsitzende der österreichischen ÖVP. Sie stellen die europäische Politik auf den Kopf und bringen eine neue politische Klasse mit sich nach oben.


Es ist dies die Generation der Optimisten. Der Proeuropäer und nicht-dogmatischen Liberalen, der Offenen, der den Gelegenheiten Zugewandten. Sie geben Europa ein neues Gesicht. Dieses steht im Kontrast zu den eher traditionellen Gesichtern der Führungspersönlichkeiten der angelsächsischen Welt, die noch in den alten Reflexen des 20. Jahrhunderts verhaftet sind.


Donald Trump und Theresa May vertreten Länder, die bislang stets einen positiven Beitrag geleistet hatten zu den internationalen Beziehungen, die Lösungen anboten für globale und regionale Problemstellungen. Nun sind sie selbst zur Wurzel neuer Probleme geworden. Indem er den amerikanischen Rückzug aus den Geschicken der Welt beschleunigt, legt Donald Trump einmal mehr das amerikanische Scheitern im Irak, in Afghanistan und im Mittleren Osten offen. Die größte Militärmacht der Welt gewinnt keine Kriege mehr und sie hat sich als unfähig erwiesen, den Frieden zu gewinnen. Indem sie den Brexit billigt und betreibt, gefährdet Theresa May die nationalen Interessen ihres Landes und verhöhnt, ob aus Arroganz oder Nostalgie, die Schwierigkeiten, die sie ihren Partnern damit einbrockt.


Dieser Isolationismus, der sich etwa in gescheiterten, der Geschichte und den Werten ihrer Länder Hohn sprechenden, migrationspolitischen Vorhaben zeigt, im Rückzug der Amerikaner aus dem Pariser Klimaabkommen oder in der britischen Kritik am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, bedeutet eine brutale Abkehr von all jenem, was die beiden Länder stets verkörpern wollten: die Freiheit, die Menschenrechte, die Solidarität zwischen den Staaten, die Stabilität der internationalen Ordnung. Nachdem nur die amerikanischen und britischen Wähler sich dem primitivsten Populismus hingegeben haben, sind die Stützpfeiler der freien Welt zu Apologeten des Rückzugs mutiert. Demokratische Werte lassen sich nicht ohne Gefahr meistbietend verhökern! Es ist deshalb an Europa, sich den zu Boden gefallenen Handschuh überzustreifen.


Europa wird dazu in der Lage sein, falls es schleunigst seine internen Widersprüche beseitigt und neue konkrete Projekte in den Bereichen der Sicherheit, der Verteidigung, der Wirtschafts- und Migrationspolitik startet. Dafür ist es eine schiere Notwendigkeit, die strategische lingua franca der angelsächsischen Welt hinter sich zu lassen. In Brüssel werden in diesen Fragen noch interessante Dinge geschehen, denn Europa besitzt alle Voraussetzungen, um in diesen Fragen eigenständig zu denken und zu handeln. Eines Tages sogar könnten die europäischen Institutionen aufhören, Shakespeare zu beleidigen und nicht länger in der Sprache jener denken und kommunizieren, die diesem Europa den Rücken kehren!



 
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