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Endlich über Europa sprechen

Es gibt nichts schlimmeres, als wenn in die Regierung eines Staates die Gleichgültigkeit Einzug hält. Dies ist das letzte Stadium des „Sich gehen Lassens“, oder der Faulheit. Es ist eine Schwäche! In Europa ist das, seit circa 20 Jahren, der wahre Grund für das Erstarken von Populismus und Extremismus, sowie der Rückkehr des Nationalismus. Nach einer Reihe spektakulärer Erfolge, die seit 1950 ununterbrochen anhielten, haben es die Kapitäne des europäischen Schiffes versäumt diese Erfolge zu festigen und der Bevölkerung anschaulich darzustellen. In einer Zeit, in der die Welt immer hektischer zu werden scheint und in der sich unsere Bürger an mehr Wohlstand, eine zunehmende Generierung von Komfort und Sicherheit gewöhnt haben, schien sich niemand mehr um die Zukunft zu sorgen. Doch dann kam, von außerhalb, die Krise einer Wirtschaft, die zu sehr auf den Finanzsektor vertraute, und dies zeigte uns folgendes: Die Unvollständigkeit des europäischen Projekts. Unter Druck ist man darauf angewiesen sich wirtschaftlich zu integrieren und sich ein Herz zu fassen, in dem man nicht ununterbrochen kritisiert und die Nase rümpft, sondern vielmehr indem man konstruktive Kritik übt und somit für Verbesserungen sorgt. Diese langfristigen Reflexionen haben der Europäischen Union, für die Erneuerung des Integrationsprojektes, bisher gefehlt.

 

Die Zeit scheint nun gekommen zu sein. 

Das Referendum am 23. Juni in Großbritannien ist dafür eine Möglichkeit, selbst wenn man das Ergebnis nicht zu leicht nehmen sollte. Jedoch haben wir die Briten, ganz anders als die Südländer, noch niemals gegen ihre eigenen Interessen votieren sehen... Eine weitere Reflexionsmöglichkeit ist die Präsidentschaftswahl in Frankreich im April 2017. Am rechten Rand haben sich bereits alle Parteien zu ihrer Vision von Europa geäußert, in Deutschland sind die Gefühle noch nicht eindeutig. Eine Debatte ist vorherrschend, ob die Geldpolitik oder die Flüchtlinge die größere Krise darstellen. In Zentraleuropa hingegen, wo lange eine sehr positive Einstellung gegenüber Europa gepflegt wurde, scheint man in nationalistische Gedankenströme zurück zu verfallen. 66 Jahre nach der Schuman-Erklärung, Grundpfeiler der europäischen Integration, 53 Jahre nach dem deutsch-französischem Elyseé-Vertrag, der diese ermöglichte, ist es an der Zeit, das sich politische Debatten wieder mit der Zukunft beschäftigen und sich intensiv damit auseinandersetzen.

 

Das ist es worauf die Bürger warten: Ein Projekt – Wo gehen wir hin? -, Klarheit – dies funktioniert und dies funktioniert nicht -, ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, eine Methode wie sie bereits in Deutschland und Frankreich angewendet wird.

 

Die Mitgliedsstaaten haben bisher ihre Chance genutzt und sich auf den Präsident der Kommission verlassen. Da Jean-Claude Juncker jedoch darauf bedacht ist eine Politik zu verfolgen, welche Regeln produziert, ist es nun Aufgabe der Länder die Initiative zu übernehmen.

 

100 Jahre nach der schrecklichen Schlacht von Verdun (750 000 Gefallene) haben die Europäer nicht mehr das Bedürfnis ihre Nachbarn zu bekämpfen. Jedoch fordert sie die Welt ständig heraus und sie müssen verstehen, gemeinsam, zu kämpfen, ihr Lebensmodell zu beschützen, ihre Identität zu verteidigen und ebenso ihre Interessen zu wahren. Dies ist eine neue Herausforderung. Die bisherigen Anstrengungen und Erfolge sollten nicht umsonst gewesen sein!

 

Unser Staats- und Regierungschefs müssen sich nun dazu befähigt fühlen wieder mehr zu wollen, als nur zu überleben. Sie müssen konkrete Initiativen vorlegen und starke Taten folgen lassen, die aufzeigen, dass sie der Union immer noch verpflichtet sind. All die schlummernden extremistischen Dämonen werden nicht noch einmal in der Lage sein die politische Agenda zu bestimmen, da sie kein zukunftsfähiges Projekt für Europa darstellen, eines das Identitäten respektiert und gleichzeitig wahre Zukunftsperspektiven für alle anbietet. Damit dies erreicht wird, muss das geteilt werden, was unverzichtbar ist, damit man das wichtigste daraus konservieren kann. Diese Diversität und die Vielfältigkeit der Identitäten ist eine einzigartige Komplementarität, die man sonst nirgends auf der Welt finden kann. Es ist eine gute Neuigkeit, das wir bereit sind zu diskutieren.
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