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„Erst kommt die Arbeit, dann das Vergnügen“

 Diesen Vers des französischen Poeten Guillaume Apollinaire aus seinem Gedicht "le Pont Mirabeau" hat man als Beobachter im Kopf, wenn man sich das aktuelle Zeitgeschehen ansieht.

Das Ergebnis der griechischen Wahl ist vor allem einer starken Ablehnung der politischen Klasse geschuldet, die das Land ins Verderben getrieben hat. Denn es waren in der Tat die seit 2009 an die Macht gekommenen griechischen Regierungen, welche die Verarmung des scheiternden Staates, seine massive Verschuldung und Zahlungsunfähigkeit weiter vorangetrieben haben. Und wie immer leiden dabei die ärmeren Bevölkerungsschichten am meisten.


 



Die Wahl eines jungen Newcomers in der nationalen politischen Landschaft stellt deshalb eine große Hoffnung dar, vielleicht sogar die letzte Chance, um einen neuen griechischen Staat zu schaffen. Damit meine ich einen Staat, der funktioniert, Steuern durchsetzt und sie fair reinvestiert.



 






Das Programm von Syriza wird auch aus diesem Grund nicht wie angekündigt implementiert werden können. Die öffentlichen Ausgaben, die Umverteilung der Löhne und der Sozialausgaben sind ohne die Ausgabe von Staatsanleihen unmöglich, auch wenn die Wirtschaft im Land Dank der europäischen Union wieder wachsen konnte. Es bleibt zu hoffen, dass die kommenden Monate nicht im Zeichen der Unverantwortlichkeit, sondern der offenen Diskussion mit den Europäern stehen werden – denn sie haben Griechenland aus dem Desaster gerettet und ohne sie stünde das Land noch weit mehr unter der Vormundschaft der internationalen Gemeinschaft.


 



Der Sieg der radikalen Linken in Griechenland spiegelt die Stimmung der Europäer symbolisch wieder. Nach Jahren laxer Regulierungen, der Gewährung von Vorteilen und von Löhnen, die mit Schulden finanziert wurden, ist nun eine Bereinigung der öffentlichen Konten durch strikte Maßnahmen notwendig. Das gilt auch dann, wenn es schwierig ist, sie mit aller Rigorosität umzusetzen.



 



 



Die Europäer haben sich an einen Komfort und Wohlstand gewöhnt, für die sie nicht die Mittel hatten. Sollten Sie etwa nicht die nötigen Anstrengungen unternehmen und Opfer bringen, um das europäische Fundament zu schützen? Zugleich profitieren die Extremisten aller Lager auf schauderhafte Weise von dem Niedergang Griechenlands und versuchen die öffentliche Unzufriedenheit zugunsten ihrer eigenen schlechten Absichten zu nutzen. Ihnen Handlungsspielraum zu geben würde Chaos und Verderben bringen. Das Sicherheitsnetz, das die Verträge und die europäische Zusammenarbeit bereitstellen – eben dasjenige, das Griechenland gerettet hat – wird erneut funktionieren. Um sein Programm umzusetzen, muss es die griechische Regierung in Abstimmung mit den internationalen Partnern überarbeiten. Die Schulden müssen natürlich noch immer gezahlt werden. Es ist schließlich schwer vorstellbar, dass die anderen Unionsländer zusätzlich zu den 110 Milliarden € bereits erlassenen Schulden der Griechen weiter zurückstecken.



 



Und dennoch: Wie immer, wenn ein Mitgliedstaat in Schwierigkeiten ist und ein Volk seinen Willen zum Ausdruck bringt, werden die Europäer eine Debatte führen und auf konkrete Vorschläge warten müssen. Die Voraussetzung ist, dass diese auch konstruktiv und vernünftig sind – Denn man sollte nicht das Ende von Apollinaires Gedicht vergessen: “Es kommt die Nacht, die Stunde schlägt, die Tage gehen dahin, allein ich bleibe." Die Schulden tun es auch.

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