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Hommage an Robert Schuman

Zum 50. Todestag Robert Schumans - Paris, den 4. September 2013

Es gibt nur wenige Städte und Dörfer in Frankreich, die keinen Platz oder keine Straße nach Robert Schuman benannt haben. Überall in Europa wird auf diese Weise an sein Engagement für Europa erinnert. Dies gilt natürlich insbesondere für die europäischen Institutionen! … Kein Gebäude, kein Saal, der nicht seinen Namen trägt. In Brüssel sind sogar die U-Bahn, ein Bahnhof, das europäische Viertel… nach ihm benannt. Alles trägt den Namen Schuman und die Robert Schuman Stiftung hat manchmal den Eindruck, ein weiterer Teil des Inventars zu sein!

Saint-John Perse schrieb: „Dein Name ist wie der Schatten eines großen Baumes“.


Woher kommt die weltweite Anerkennung für diese Persönlichkeit aus Frankreich, die stets außerhalb des Scheinwerferlichts bleiben wollte?


Sie beruht auf dem herausragenden Einsatz Schumans für das europäische Projekt, auf seinem Verdienst, den Kontinent befriedet und hunderten Millionen Europäern eine neue Perspektive ermöglicht zu haben.


Der Schlüssel hierfür liegt, wie oft in der Geschichte, im Zusammentreffen einer außergewöhnlichen Persönlichkeit mit günstigen Umständen.


«Dieser Mann der Diskretion, bescheiden und gut, der von seinem tiefen Glauben an Gott erfüllt war, zeigte, wenn es darauf ankam, eine Entschlossenheit, die durch nichts zu erschüttern war. Obwohl er eine Person des öffentlichen Lebens war, folgte sein Leben einem inneren Rhythmus, fern von jeglicher Aufgeregtheit.“ Diese Worte wählte der französische Präsident François Mitterrand in einer Hommage zu Ehren Schumans an die französische Assemblée nationale am 25. Juni 1986.


In dieser Zeit, in der die Europäer an sich selbst und an ihrer Kraft zweifeln, die neuen Herausforderungen bewältigen zu können, können wir von Robert Schuman lernen.


Robert Schuman hat die Gelegenheit ergriffen und ein Jahrhundert kriegerischer Zerstörung beendet. Heute würde man dies als „strategischen Bruch“ bezeichnen. Die Nachkriegszeit war dunkel und bedrohlich. Niemand konnte davon ausgehen, dass die Erinnerungen an die Gräuel des Krieges schnell verblassen würden – wie sollte man die Shoah vergessen, 50 Millionen Opfer oder später den Eisernen Vorhang – und dennoch wurden sie von einer bis dahin undenkbaren (unsinnig erscheinenden) Tat eingeholt, nämlich der Entscheidung zur Zusammenarbeit und später Freundschaft, die die Völker dauerhaft vereinen und Europa aus den Ruinen auferstehen lassen sollte.


Nach zwei selbstmörderischen Weltkriegen musste Europa seine Vergangenheit hinter sich lassen. Sein Herz schlägt weiterhin kraftvoll. Selbst jetzt, in Zeiten der Krise, ist Europa die Region, in der der größte Wohlstand generiert wird, es ist die größte Wirtschaftsmacht und der größte Binnenmarkt. Europa ist ein Platz für Geisteswissenschaften, Kunst und Literatur. Europa ist der Kontinent, wo man leben möchte, da sich hier Freiheit mit Solidarität vereint, Macht mit Frieden und Reichtum mit Gerechtigkeit.


Die Gründung der Europäischen Union ist ein enormer Erfolg, der alle Erwartungen übertroffen hat. Dies muss betont werden, wenn im Inneren der Union Kälte und Zynismus um sich greift, wobei Europa von außen betrachtet als Vorbild gilt, um das uns viele beneiden.


Die Bürger sind oft enttäuscht von der Europäischen Union. Sie zeigen sich frustriert, ungeduldig, verständnislos, zurückweisend. Selbst die Eliten scheinen verstört angesichts der europäischen Dimension.


Wir sollten den einen wie den anderen in Erinnerung rufen, dass wir stolz sein können auf Europa und seine Errungenschaften.


Wir könnten versuchen, sie mit einem Zitat von Ernest Renan zu überzeugen: „Bei großen Dingen ist allein der Pessimismus fruchtbar“ und Gott allein weiß, ob der Pessimismus im Moment nicht vielleicht das am weitesten verbreitete Gefühl ist.


Ich ziehe es vor, die Skeptiker an die Maxime des großen Poeten Pierre Seghers zu erinnern: „Das Unmögliche ist das, was Zeit braucht.“


Heute gedenkt Frankreich, und mit ihm ganz Europa, Robert Schumans.


Die Franzosen sollten stolz darauf sein, dass sie diejenigen waren, die die europäische Einigung in der Person Robert Schumans initiierten, ebenso durch Jean Monnet, von dem wir wissen, welch großen Anteil er am Schuman Plan vom 9. Mai 1950 trägt. Wenn Europa sich auch stark verändert hat, so sind seine Fundamente doch gleich geblieben, wie auch sein Herz, das deutsch-französische Herzstück zunächst. Die deutsch-französische Aussöhnung beruht zunächst auf der Initiative Robert Schumans, gefolgt von General de Gaulle, der sie als vorderster Widerstandskämpfer zu einem legitimen Anliegen machte. Es gibt somit Grund genug, stolz zu sein und zu betonen, dass Frankreich im Herzen Europas liegt, dass es ein aktiver und unerlässlicher Motor für den Aufbau Europas ist, der trotz seiner Langsamkeit immer noch die intelligenteste Antwort auf die Globalisierung darstellt.


2014 werden sämtliche europäischen Institutionen neu besetzt werden, in einer Zeit, in der Europa nach wie vor stark von der Krise geprägt ist.


Einige zweifeln, ob die Krise überwunden werden kann. Viele befürchten, dass die extremen Parteien Boden gewinnen und bei der Wahl des Europaparlaments punkten werden und hierdurch der außergewöhnliche Erfolg der europäischen Einigung gefährdet werden wird. Sicherlich, Europa muss sich reformieren, wandeln und anpassen und auch wir selbst sind diesbezüglich oft ungeduldig. Das europäische Projekt wird jedoch nicht stehen bleiben. Es ist quasi unumkehrbar. Es liegt an uns, es weiterzuführen, zu leiten und es ständig zu verbessern.


E. Mounier sagte: „Ideen sind nichts, ohne die Menschen, die sie mit Leben erfüllen können“.


Die Robert Schuman Stiftung wird auch weiterhin der Ort für konstruktive Vorschläge sein und ihre Rolle erfüllen, indem sie sich mit Überzeugung für das europäische Werk einsetzt. Wir veröffentlichen den ersten elektronischen europäischen Nachrichtenüberblick mit über 200 000 Abonnenten. Wir publizieren mehr Studien als der Großteil der Think Tanks in Europa, wir unterhalten ein Netzwerk an Experten und Autoren, die in ganz Europa geschätzt werden. All dies verwirklichen wir mit einer kleinen Zahl an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und mit Mitteln, die so begrenzt sind wie unsere Ambitionen groß sind. All diejenigen, die sich für Europa interessieren, können sich an der Arbeit der Stiftung beteiligen. Unternehmen, die Expertise benötigen, Privatleute, die sich informieren möchten, Kämpfer für die europäische Sache, alle sind herzlich eingeladen, uns als einen der wichtigen Think Tanks zum Wohle Europas zu unterstützen.


Das europäische Projekt erfordert tagtäglich unser Engagement. In diesem Jahrhundert der unaufhörlichen Veränderungen, die die Bürger verunsichern und unser Modell in Frage stellen, ist unser Engagement wichtiger denn je. Wie ein japanisches Sprichwort besagt: „Das einzig Dauerhafte in dieser Welt ist die Veränderung“. Dies ist genau das, was wir erleben.


Die Nationalstaaten stehen mit der Bewältigung dieses Wandels nicht mehr alleine da. Wir müssen jedoch noch systematischer gemeinsam dafür arbeiten, dass unserem Kontinent die Anpassung gelingt. Hierfür brauchen wir Verantwortliche, die von einem stärkeren europäischen Engagement geprägt sind. Wir werden ihnen helfen. Wir haben die nötige Vorstellungskraft und Kreativität hierfür. Hierfür braucht es Mut.


Dies ist die Lehre, die wir aus dem Leben und Werk Robert Schumans ziehen können, der vor fünfzig Jahren von uns gegangen ist. 

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