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Unwetterwarnung für die deutsch-französischen Beziehungen

Frankreich und Deutschland scheinen in wirtschaftspolitischen Fragen im Hinblick auf den richtigen Weg zur Überwindung der Krise immer weiter auseinander zu driften. Dies ist nicht das erste und sicherlich nicht das letzte Mal, allerdings scheint der Wind das Boot diesmal noch stärker in raue Gefilde zu treiben.

Im Land Colberts und Napoleons, das zugleich das Land Charles de Gaulles und François Mitterrands ist, wird gemeinhin angenommen, dass alle Instrumente – auch das Instrument der Währungspolitik – dem Staat dienen sollen, damit dieser in der Lage ist, die Wirtschaft zu steuern. Ausgabenkürzung wird, offen gesagt, nicht betrieben, aufgrund der glorreichen Vergangenheit rechnet man mit entsprechender Milde. Bei den deutschen Nachbarn herrscht Misstrauen angesichts einer zu stark konzentrierten Machtfülle, Föderalismus wird demgegenüber als Freiheit gesehen, es herrscht ein überraschend großer Gemeinsinn und eine Vorliebe für dauerhafte Stabilität, ein Trumpf in Zeiten der beschleunigten Globalisierung.


In diesen Krisenzeiten trifft man vielerorts auf alte Klischees, altbekannt und -bewährt. Die einen werfen den anderen Härte und eine zu konservative Gesinnung vor. Umgekehrt wird der Vorwurf der mangelnden Disziplin und des Zauderns erhoben. Welch ein Rückschritt, wenn man bedenkt, dass gerade zur Vermeidung dieser Ressentiments seit 1950 eine einzigartige Beziehung aufgebaut wurde, die nach eigenen Richtlinien und Praktiken funktioniert und zu großen Teilen auf Zurückhaltung basiert!


Deutsch-französische Partnerschaft bedeutet permanenten Dialog auf sämtlichen Ebenen, um sich in strittigen Fragen auf eine gemeinsame Position zu einigen und damit auf einen für alle europäischen Partner akzeptablen Kompromiss. Die Vergangenheit zeigt, dass es nur unter dieser Voraussetzung auf europäischer Ebene Fortschritte geben kann. Die aktuelle Lage in der Europäischen Union erfordert Antworten, zunächst zu wirtschaftlichen und sozialen Fragen, aber vermutlich auch zu politischen Fragen. Niemand kann mit dem jetzigen Zustand zufrieden sein.


Wenn die französischen Sozialisten jetzt den eigenen Ankündigungen entsprechend „mit den europäischen Konservativen die Konfrontation suchen [wollen]“ und insbesondere mit Angela Merkel, der „Kanzlerin der Sparhaushalte“, dann wählen sie den falschen Weg.


Zunächst, weil die richtige europäische Wirtschaftspolitik heiß umstritten ist und niemand genau weiß, was zu tun ist. Die Ökonomen sind zerstritten, die Experten beißen sich die Zähne aus, die Politiker sind unterschiedlicher Meinung. Alle sind betroffen angesichts der Situation in den angeschlagenen Mitgliedsländern und des Anstiegs der Arbeitslosigkeit, aber gleichzeitig wissen alle, dass Defizite abgebaut werden müssen und nicht weiter immer höhere Schulden angehäuft werden dürfen.


Darüber hinaus führt die ideologische Betrachtung in diesem Fall nicht weiter. Wenn die Sozialdemokraten in Deutschland an der Regierung wären, würden sie noch härter auf die Einhaltung der Sparvorgaben drängen, insbesondere unter Peer Steinbrück - und Mario Monti ist sicherlich kein „Konservativer“ der extremen Rechten!


Schließlich ist die Aussage, dass „Defizite ohne Sparprogramme abgebaut werden können“ eines der größten Märchen, die in letzter Zeit in der Öffentlichkeit verbreitet wurden!


Die einzige Möglichkeit, „Europa neu auszurichten“, liegt darin, die Verständigung zwischen Frankreich und Deutschland zu stärken und zwischen beiden Partnern eine echte Debatte über die Zukunft der Union zu ermöglichen. Dann wird man feststellen, dass sich durch eine geordnete Analyse und bei vernünftiger Betrachtung viele Möglichkeiten eröffnen, falls Deutsche und Franzosen sich entschließen, zusammen zu arbeiten.


Eine aktivere Währungspolitik, effizientere europäische Ausgaben, konsolidierte Schulden und allgemein respektierte Disziplinvorgaben, demokratische Fortschritte für die europäischen Institutionen, eine echte europäische Wiederbelebung? Es gibt keine Tabuthemen, falls sich die beiden Partner endlich zu gemeinsamen Entscheidungen durchringen.


Es ist nicht zu ändern, dass diese Fragen zunächst von oben entschieden werden müssen und es muss klar sein, dass Reformen auf europäischer Ebene notwendig sind, auch wenn sie eine verstärkte Integration in den Bereichen Wirtschaft, Währung und Steuern erfordern.


Andernfalls wird der Populismus weiter zunehmen, das Risiko der Isolierung wird größer werden, die Partner werden sich in ausweglosen Situationen wieder finden.


Die Geschichte wird über sie urteilen. Sie müssen der Versuchung der Demagogie widerstehen, die Segel richten und das Ruder in die Hand nehmen und sich den Anforderungen stellen, egal, wie groß diese sind. Es gilt, gemeinsam die Seile zu ziehen, um so in ruhigere Gewässer zu gelangen.


 

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