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Frankreich, ein Problem für Europa?

Die Zeit nach den Präsidentschaftswahlen war schon immer schwierig in Frankreich. Im allgemeinen ist dies die Zeit, in der Geschenke verteilt werden müssen, die in zu großer Zahl von den Kandidaten versprochen wurden. Diesmal wird jedoch die Krise das Tempo bestimmen und dem Land von Colbert, Napoleon, Schuman und de Gaulle keine Zeit lassen. Weltweit sind die alten Nationen durch die Krise gezwungen, tiefgreifende Reformen durchzuführen, um sich im Wettbewerb gegenüber den Schwellenländern behaupten zu können und den Kern ihrer Identität zu wahren.

Nur Frankreich als einziges Land in Europa sträubt sich gegen Reformen und hält an einem Modell fest, das auf exzessiven öffentlichen Ausgaben beruht und künstlich die Binnennachfrage erhöht, wobei durch die Ankurbelung des Konsums die Ungleichgewichte im Handelsverkehr verstärkt werden. Frankreich verschuldet sich für seine lokale und nationale Administration, die zu umfangreich und ausufernd ist. Aufgrund der Überzeugung, dass eines Tages das Wachstum wieder kommen wird, gibt es kein Verständnis für die Notwendigkeit, das Wachstum durch Reformen im Inneren zu fördern und hierfür einige Tabus zu brechen, um so unser Wirtschafts- und Sozialmodell zu retten.

Italien hat unter Mario Monti, wie zuvor Deutschland unter Gerhard Schröder, seinen Arbeitsmarkt reformiert, darüber hinaus quasi eine komplette Ebene der lokalen Administration gestrichen und so die Staatsquote verringert. Spanien wird zwangsläufig, nach Irland und Portugal, seine öffentlichen Ausgaben um 63 Milliarden Euro verringern. Selbst Griechenland hat bereits mehrmals für vor 5 Jahren noch undenkbare Sparmaßnahmen gestimmt, um den Staatsbankrott zu verhindern. Überall in Europa wird das Renteneintrittsalter nach oben verschoben, die Arbeitszeit wird ausgeweitet, die öffentlichen Ausgaben werden gekürzt, um hierdurch die Schulden zu verringern wie auch das Defizit. Frankreich ist das einzige Land, das bisher kein Programm dieser Art umgesetzt hat, trotz der Reaktion in Form eines Wettbewerbspakts für die Unternehmen. Frankreich muss jetzt weiter gehen, sonst wird es zu einem Problem für Europa.

Frankreichs Partner können nicht länger akzeptieren, dass ihre eigenen Bemühungen, die bereits schwierig genug sind, gefährdet werden und sie haben recht, wenn sie sich um die deutsch-französischen Beziehungen sorgen. Das europäische Gleichgewicht beruht zu einem großen Teil auf einem guten Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich, dessen Basis eine harmonische Partnerschaft ist, die derzeit nicht mehr vorhanden ist.

Den 150 Milliarden Außenhandelsüberschuss von Deutschland stehen 70 Milliarden Defizit von Frankreich gegenüber. Die Verschuldung Deutschlands stabilisiert sich bei 80% des BIP, während die Verschuldung Frankreichs sich in Richtung 100% bewegt. Das französische Wachstum liegt aktuell (und auch in der Zukunft) um die Hälfte unter dem französischen Wachstum, die Staatsausgaben liegen um 10% höher (56% des BIP gegenüber 46% des BIP), die Arbeitslosigkeit in Frankreich ist 1,5 Mal so hoch wie in Deutschland. Wenn der deutsch-französische Dialog auch vordergründig zu funktionieren scheint (dies nur, weil andernfalls fundamentale Interessen gefährdet wären), so ist doch verstärkt ein Bruch auf beiden Seiten des Rheins spürbar. Der Bruch betrifft die Grundlagen der Wirtschaftspolitik und nicht, wie manche in Frankreich glauben, unterschiedliche politische Richtungen wie linke und rechte Politik. Der Bruch entsteht auch durch unterschiedliche Vorstellungen über Europa, die überwiegend auf Unkenntnis und Vorurteilen beruhen.

Der Wahlkampf vor den Präsidentschaftswahlen hat zum Teil anti-deutschen Parolen neuen Aufwind gegeben, was kein gutes Bild auf die Wortführer wirft. In Wahrheit wird hierdurch die Angst vor schwierigen Reformen überspielt und eine gewisse Hilflosigkeit angesichts der Schwierigkeit der Lage. Im Falle einer Reform des Arbeitsmarktes käme bei vielen französischen Verantwortlichen das Gefühl auf, Deutschland „nachzugeben“, obwohl sie vielmehr aufhören würden, der scheinbar einfachsten Lösung nachzugeben! Es ist wichtiger denn je, dass beide Partner den Weg zu echter Intimität zurück finden, auch in Bezug auf politische Themen, die harmonisiert und abgestimmt werden müssen. Hiervon hängt die Zukunft aller Europäer ab, aber auch diejenige des gemeinsamen Projekts eines geeinten Europas. 
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