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Timoschenko ist wichtiger als die Euros der Fußball-Europameisterschaft 2012

Jetzt zeigt sich das unglaubliche Verhalten der Ukraine gegenüber Oppositionellen in aller Öffentlichkeit, zu einem Zeitpunkt, zu dem Europa sich anschickt, die Europameisterschaft 2012 zu boykottieren.

Es gibt keine Demokratie in der Ukraine. Es geht nur um Geld, das zur Manipulation und Korruption eingesetzt wird. Niemals zuvor ist die Kunst der Bestechung in einem Regierungssystem derart zur Perfektion gebracht worden. Abgeordnete werden gekauft und die Preise sind allgemein bekannt, Angehörige des Präsidenten, der seinen politischen Erfolg allein seiner Mittelmäßigkeit verdankt, sind von öffentlichen Abgaben befreit. Familie und Freunde des Präsidenten werden immer wohlhabender. In jedem Wirtschaftssektor gibt es Oligarchen, egal, ob es sich um Schokolade, Schnellkochtöpfe, Stahl, Bonbons oder das Gesundheitswesen handelt… Die gesamte Wirtschaft des Landes ist zum Vorteil Einzelner in Beschlag genommen worden. Die Pensionen der „Tschernobyl-Aufräumer“ wurden gekürzt, aber ein Abgeordneter, der ins Lager des Präsidenten wechseln will, erhält nach wie vor 500 Tausend Dollar. In diesem Land haben die anständigen Leute, die die Mehrheit bilden, nur die Wahl zwischen Exil oder Unterwerfung unter die Macht des Geldes. Dieses Schicksal hat so ein wunderbares Volk nicht verdient. Ein Volk der friedlichen Revolutionen, gebildet, hart arbeitend, europäisch, das so viel gelitten hat in der Vergangenheit! Ein Land mit vielen Möglichkeiten, dessen Landwirtschaft ganz Europa ernähren könnte, das noch Schwerindustrie besitzt, sicherlich nicht auf dem neusten Stand, jedoch mit der Möglichkeit, fast alles zu niedrigen Kosten zu produzieren, ein Land, das Begehrlichkeiten weckt. Die Plutokraten von Kiew fürchteten sich vor ihren russischen Mitwissern und gaben vor, sich in Richtung Europäischer Union zu bewegen, es war eine Erpressung nach dem Motto: Europa oder Russland? Vor diesem Hintergrund und auf Druck Polens, das eigentlich für seinen Einsatz für die Grundrechte bekannt ist, handelte die Union mit der Ukraine ein Freihandelsabkommen aus. Jetzt muss sie anlässlich des eigentlich fröhlichen Ereignisses der Fußball-Europameisterschaft der traurigen Realität ins Auge sehen und erkennen, wie inakzeptabel die Politik der Ukraine ist. Es gilt, die Demokraten zu würdigen, die sich mit dieser Situation nicht abfinden, allen voran Deutschland, Frankreich, anderen MitgliedStaten, die Kommission und die europäischen Abgeordneten.

Es sollte mit dem Fußball Diplomatie betrieben werden, indem Polen und die Ukraine gemeinsam ein sportliches Großereignis ausrichten. Welch merkwürdige Idee! Niemand wäre auf die Idee gekommen, Litauen vorzuschlagen, ein solches Ereignis gemeinsam mit Lukaschenkos Weißrussland zu organisieren, oder Italien mit Gaddafis Libyen! Oft ist es sicherer, dem gesunden Menschenverstand zu folgen als diplomatischem Kalkül.

Europa kann nicht ignorieren, dass Julia Timoschenko und mehrere Mitglieder ihrer Regierung kurz davor sind, im Gefängnis zu sterben, verurteilt für Taten, die sie in Ausübung ihrer ehemaligen Funktionen verübt haben sollen; Europa kann diese Situation nicht hinnehmen. Wenn die Führung der ukrainischen Opposition nicht freigelassen wird, können wir immer noch fordern, dass die Fußballspiele in einem anderen Land stattfinden müssen, zum Beispiel in Deutschland. Die Union könnte gegen die ukrainischen Autoritäten Sanktionen verhängen, wie das Verbot, europäischen Boden zu betreten und die Übertragung der persönlichen Verantwortung für das Schicksal der Oppositionsangehörigen; sämtliche Vertreter des politischen Europas müssen sich weigern, mit den Feinden der Freiheit auf den gleichen Zuschauerrängen zu sitzen. Was die Fußballer angeht, so sollen sie spielen, wenn sie noch das Herz dazu haben, wobei sie wissen sollen, dass wir uns wegdrehen werden, wenn ihre Gewinner aus schmutzigen und unwürdigen Händen einen Pokal empfangen werden, als Preis für ihre Gleichgültigkeit gegenüber dem Wert, auf dem ihr Ruhm und ihr Reichtum beruht, vor allem aber unsere Identität: die Freiheit.



Lesen Sie hier den Leitartikel von Jean-Dominique Giuliani auf polnisch.

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