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Frankreich und Deutschland für eine wahrhaftige europäische Wirtschaftsregierung

Indem sie die Konsequenzen aus der Krise von 2010 gezogen haben, die fast 60 Jahre europäische Integration ausgelöscht hat, haben Frankreich und Deutschland beinahe einen Skandal verursacht, als sie ihren Partnern einen „Pakt für Wettbewerbsfähigkeit“ unterbreitet hatten, der ihre Wirtschafts-, Fiskal- und Sozialpolitiken schneller einander annähern soll. Den beiden größten Wirtschaften der Eurozone (48% des BIP und 39% der Bevölkerung) wurde vorgeworfen, einen zwischenstaatlichen Alleingang einzuschlagen, der die Union spaltet. 

Sie haben es jedoch im europäischen Rahmen, und zwar im Rahmen des Vertrags von Lissabon getan, indem sie den Präsidenten des Europäischen Rates aufgefordert haben (die Kommission hatte bereits Vorschläge unterbreitet), im März einen abgestimmten Plan vorzustellen. Was könnte noch mehr dem europäischen Rahmen entsprechen!

Der Euro ist nunmehr das effizienteste Bindeglied in der Europäischen Union: Er hat Stabilität gebracht, den Reichtum erhöht (zwischen 1999 und 2009: + 41% des BIP, + 45% des BIP/Einwohner) und fast 20 Millionen Arbeitsplätze in Europa gesichert. Angesichts der Krise war er entscheidend. Die 17 Staaten der Eurozone stellen 65% der Bevölkerung und 75% des BIP der EU dar. Jeder Mitgliedstaat (außer dem Vereinigten Königreich) hat sich per Vertrag dazu verpflichtet, den Euro früher oder später einzuführen. Der Euro ist der finanzielle Motor, der die europäische Integration mit seiner Zentralbank und seinen Garantiemechanismen (z. B. dem Europäische Finanzstabilisierungsfonds) vorantreibt, welche es ermöglicht haben, im Jahr 2010 zwei Staaten vor dem Bankrott zu bewahren. Es ist also normal, dass sich seine Verantwortlichen zuerst unter sich absprechen, wobei ihre Solidarität gegenüber den anderen nicht in Frage gestellt werden kann - dies beweisen auch die 320 Mrd. Euro, die innerhalb von 7 Jahren vor allem an die „aufholenden“ Wirtschaften vergeben wurden. Aber besitzen die Europäer wirklich den Willen und den Mut, ihr Modell zu verteidigen und ihm die Möglichkeit zu geben, seinen Platz unter den entwickeltsten Wirtschaften des Planeten beizubehalten? Wenn man die ersten Reaktionen beurteilt, lässt sich daran zweifeln.

Es ist eine betrübliche Absurdität zu hören, dass Belgiens Interims-Ministerpräsident bekräftigt, die Indexbindung der Löhne und Gehälter sei ein nationales Thema, das nicht auf europäischer Ebene behandelt werden soll. Was wäre denn, wenn die belgischen Schulden zusammen mit einer permanenten politischen Krise letztendlich den Euro in Frage stellten? Wenn manche Politiker beunruhigt sind, wenn auf europäischer Ebene die unabdingliche Steuerharmonisierung, die notwendige Konvergenz der Rentensysteme und die richtige Verwaltung der öffentlichen Finanzen angesprochen werden, deutet dies darauf hin, dass sie Angst haben, mit einer öffentlichen Meinung konfrontiert zu werden, der sie nicht mit der Wahrheit gegenübertreten möchten. Und wenn die Märkte immer noch an ihrer Führung zweifeln? Wären sie weiterhin in der Lage, von dem Euro zu profitieren, ohne sich zu bemühen, ihn zu stärken?

Die Ernsthaftigkeit dieser Herausforderungen für Europa erfordert „schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen“. Außerdem verlangt sie Kühnheit. 

Wenn Deutschland und Frankreich vorgeworfen wird, die Initiative zu ergreifen, zeigt dies letztendlich, dass die Lektion von Robert Schuman vergessen worden ist. Robert Schuman hat bereits am 9. Mai 1950 erklärt, dass „das begonnene Werk in erster Linie Deutschland und Frankreich erfassen muss“. Indem Frankreich und Deutschland mit gutem Beispiel vorangehen, riskieren sie, ihre Partner vor den Kopf zu stoßen. Aber wenn sie dies nicht tun, bringen sie Europa in Gefahr. Und wenn sie die Einzigen sind, die mit gutem Beispiel vorangehen, indem sie sich einander annähern, ist dies eine gute Nachricht für den Euro, und – wie immer seit dem Beginn der europäischen Integration - eine gute Nachricht für Europa!
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