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Der Euro, Europa und die Märkte

Das europäische Aufbauwerk ist in erster Linie eine politische Entscheidung. Es ist komplex, unvollendet und die Vereinigung schreitet nur langsam voran.

Die Finanzmärkte, die das Anlegervertrauen zum Ausdruck bringen, verstehen dies nicht immer. Selbst den Europäern kommen gegenüber den schnellen Veränderungen in der Welt Zweifel.

Trotzdem bleibt die Europäische Union die intelligenteste Wahl, um Europa die kontinentale politische Größe zu geben, die sich im 21. Jahrhundert behauptet. Dass die Märkte mit ihren Exzessen die Einmischung in die Finanzlandschaft dieses international unidentifizierten Objekts zurückweisen, ist letztendlich ziemlich normal, wenn man ihre etwas kurz greifenden und manchmal zweifelhaften Beurteilungskriterien berücksichtigt. Aber dass sich die Europäer selbst Fragen stellen, ist nicht mehr Euroskepsis - das ist Euroflagellation! Niemand sollte vergessen, dass die Regelungen, die Institutionen und die Instrumente - vor allem der Euro - mit denen sich die Union ausgestattet hat, irreversibel sind. Es gibt keinen Weg zurück, ganz einfach weil dies das Gegenteil des Interesses jedes Mitgliedstaats bedeuten würde. Estland wird am 1. Januar den Euro einführen und das 17. Mitgliedsland der Eurozone werden, da dies in seinem Interesse ist. Es lassen sich drei Anforderungen ableiten, die auch Aufrufe für die Verantwortlichen der derzeitigen Lage darstellen.

Die erste Anforderung ist an den Europäischen Rat gerichtet: Dieser sollte mehr Klarheit, Mut, Kühnheit und Visionen unter Beweis stellen, um Entscheidungen voranzutreiben. Frankreich und Deutschland haben klar den Weg definiert: „Der Euro ist Europa. Wir verteidigen den Euro, weil wir Europa verteidigen.“ Es ist also nicht an der Zeit, die Debatten mit anderen Vorschlägen zu verwirren. Wir haben die Mittel, um die derzeitige Krise zu bewältigen, wenn wir nur unsere Steuerungsfehler korrigieren, unsere Schulden reduzieren und zusammen über unsere Wirtschafts- und Haushaltspolitiken entscheiden. Bevor wir unsere Schulden gemeinsam verwalten - was kommen wird - sollten wir unsere Wirtschaftskräfte zusammenschließen, d. h. tatsächlich unsere Wirtschaftspolitiken, unsere Haushalte und unser Steuerwesen koordinieren! Lasst uns diese Wirtschaftsföderation organisieren, die die Skeptiker zum Schweigen bringen würde.

Der zweite Aufruf ist an alle Europäer, Kommentatoren, Experten und Spezialisten gerichtet: Lasst uns aufhören, Zweifel über diese wertvollen Güter – den Euro und die Europäische Union - zu verbreiten. Jeder weiß, dass diese unvollendet sind, dass sie verbessert werden müssen und dass es sich um einen langsamen Prozess handelt, der Zeit braucht, welche in Anbetracht unserer Geschichte notwendigerweise lang ist. Aber lasst uns nicht vergessen, was sie uns gegeben haben und dass sie uns weiterhin Stabilität, Reichtum, Arbeitsplätze und Schutz bieten. Man muss nur Europa mit den großen politischen Einheiten der Welt vergleichen, um den Reichtum unseres Wirtschafts- und Sozialmodells zu ermessen, welches sicherlich durch einen neuen Wettbewerb herausgefordert wird, das aber trotzdem immer noch attraktiv ist und die Mittel besitzt, weiterhin im Vordergrund zu stehen. Verteidigen wir es!

Die dritte Anforderung betrifft die Märkte: Wenn Sie an der politischen Entschlossenheit der führenden Politiker Europas zweifeln, den Euro und Europa zu verteidigen, werden Sie viel Geld verlieren. Denn dieses europäische Projekt bleibt von Grund auf eine unumgängliche und unabänderliche politische Entscheidung. Es bringt nichts, es zu bekriegen, es permanent zu testen oder zu verprellen, wie so manche Rating-Agentur es tut, indem sie rät, dass man besser in Trinidad und Tobago investieren sollte als in Spanien! Dies ist natürlich falsch, denn wenn es sich um die entscheidenden Wahlmöglichkeiten handelt, wenn das Essentielle auf dem Spiel steht, siegt in Europa immer die langfristige Politik, sogar über die jeweilige finanzielle Logik. Dies fand bereits im Falle Griechenlands und Irlands statt, die von einer europäischen Unterstützung profitierten. Und, falls notwendig, werden neue Beweise für die europäische Solidarität gebracht werden. Die Zweifel und das Zögern, die manchmal legitim sind, werden - wie immer - angesichts der Notwendigkeit schwinden.

Europa hätte sich die derzeitige Vertrauenskrise ersparen können, wenn es sich schneller integriert hätte. Von nun an wird es dies unter Druck tun. Das wird die beste Antwort für all diejenigen sein, die an den Fähigkeiten Europas zweifeln.
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