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Lehren aus Belgrad

Serbien und die Unabhängigkeit des Kosovo

Am 22. Juli 2010 hat der Internationale Gerichtshof der Vereinten Nationen bekannt gegeben, dass die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo mit dem Völkerrecht vereinbar ist. Er wurde als Hüter der Rechtsprinzipien auf Initiative Serbiens von der UN-Generalversammlung angerufen und sollte beratende Einschätzungen abgeben. Die Tür zum Recht auf Sezession hat er jedoch nicht geöffnet, wie es manche gerne glauben lassen würden. Die Argumentation des Internationalen Gerichtshofs ist erstaunlich modern und unterstützt diejenigen, die organisierte, regulierte und zivilisierte internationale Beziehungen fordern.

Die Entscheidung, die 44 Seiten umfasst, könnte wie folgt zusammengefasst werden:

Der UN-Sicherheitsrat hat auf eine Situation, die untragbar war, da sie erneut den Schatten des Völkermords auf den europäischen Kontinent warf, eine außergewöhnliche Antwort gegeben, „damit Gewalt und Repression (gegen die albanische Minderheit) aufhören“: Er hat zu Recht und auf zutreffende Weise die serbische Hoheitsgewalt im Kosovo ausgesetzt und direkt die Verwaltung des Territoriums übernommen.

Seine verpflichtenden Resolutionen sind Teil des Völkerrechts, da sie eine rechtmäßige Reaktion der Völkergemeinschaft auf eine inakzeptable Situation und auf eine schwerwiegende Verletzung der Freiheit ausdrücken. Die Völkergemeinschaft hat Verantwortung übernommen und hat mit ihrem Vertreter vor Ort und nach vielen unparteiischen Missionen selbst festgestellt, dass die Unabhängigkeit des Kosovo durch die Haltung Serbiens unvermeidbar geworden war.

Die Unabhängigkeitserklärung von den „Vertretern des Volkes des Kosovo“ entsprach daher dem für diesen Fall erlassenen Völkerrecht. „Der Anwendungsbereich des Prinzips der territorialen Integrität ist auf die Beziehungen zwischen Staaten beschränkt“ und betrifft nicht das Recht der Völker, sich gegen Ungerechtigkeit oder Vorherrschaft aufzulehnen.

Die führenden serbischen Politiker tragen eine sehr schwere Verantwortung.

Sie haben den Krieg, die Auseinandersetzung mit der internationalen öffentlichen Meinung und nun auch den Rechtsstreit verloren. Die Befürworter Europas in Belgrad sollten sich Fragen über ihre Politik stellen. Ihr eigenes Volk erwartet, dass sie sich der Zukunft zuwenden. Es besteht Handlungsbedarf bei der Lösung der konkreten Probleme der leidenden Menschen, der Flüchtlinge, der Serben im Kosovo, sowie bei der Bewältigung einer stagnierenden und sich verschlechternden Lage der Verwaltung und der Wirtschaft in Serbien. Die wichtigste Aufgabe jeder Regierung ist es, sich zuerst um das Wohlbefinden ihres Volkes zu kümmern. Die Akzeptanz eines wahrhaftigen Dialogs zwischen der serbischen und der kosovarischen Regierung ist eine Notwendigkeit, um die regionale Lage zu normalisieren, welche nur aufgrund von Serbien gefährlich bleibt.

Dies ist der einzige Weg, damit sich die Tore Europas öffnen.

Selbst die Staaten Europas, die den Kosovo noch nicht anerkannt haben (Spanien, Slowakei, Rumänien, Griechenland, Zypern), werden dies tun müssen, wenn sie voll und ganz an der gemeinsamen Außenpolitik in der Region teilnehmen möchten. Die Europäische Kommission wird nicht weiterhin nur „technische“ Maßnahmen der Annäherung mit Europa vorschlagen können, ohne endlich einen Beweis des guten Willens zu zeigen. Die Union hat Serbien den freien Personenverkehr seiner Staatsangehörigen im Schengener Raum zugestanden. Nun erwartet sie eine Gegenleistung.

Niemand ignoriert die Schwierigkeit dieser Aufgabe und den Mut, den sie erfordert, aber die Entschlossenheit der Europäer darf nun nicht mehr unterschätzt werden: Kein Europa ohne Frieden und dauerhafte Stabilität. Keine Angebote oder Vorteile für Nachbarn, die sich nicht an die Spielregeln halten. Die Europäische Union wird keine neuen Mitglieder akzeptieren, die ihre Probleme mit ihren Nachbarn nicht geregelt haben.

Allgemein ist es begrüßenswert, dass die Entscheidungen des UN-Sicherheitsrats anerkannt und in das Völkerrecht integriert wurden. Diese waren notwendig geworden, um die Einhaltung der elementaren Prinzipien einer zivilisierten Welt durchzusetzen, welche gewaltsam verletzt wurden. Dies stellt eine bemerkenswerte Innovation dar, die zur Stabilität der internationalen Beziehungen, zur Einhaltung der Menschenrechte und allgemein zum Fortschritt der Zivilisation beiträgt.
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