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Europawahlen: Kein schöner Wahlkampf!


Der Aufstieg der extremen Parteien, ob links- oder rechtsextrem, ist die Neuigkeit dieses Wahlkampfs im Vorfeld der Europawahlen zwischen dem 22.-25. Mai. Ihre überzogenen Argumente, oft beschränkt und archaisch, richten sich gegen einen gemeinsamen Sündenbock: die Europäische Union. Dies erlaubt ganz nebenbei, eine Diskussion über wirkliche Inhalte zu vermeiden. Diese wäre sicherlich komplex, das ist wahr, aber so wichtig für die Zukunft unserer Mitgliedstaaten. Was sollen wir teilen und gemeinsam entscheiden, um die europäische Wirtschaft am besten an neue Gegebenheiten anzupassen? Welchen Platz sollen die europäischen Institutionen und die Nationalstaaten einnehmen? Wie soll unsere Wirtschafts- und Währungspolitik aussehen? Wie sollen die Schulden und angehäuften Defizite abgebaut werden, die von sorglos Regierenden angehäuft wurden? Wie sieht das europäische Projekt und seine Perspektiven in der Zukunft aus, das den Bürgern angeboten wird? Die Eurosketpiker, aufgebläht durch den Rückenwind durch die Populisten, lachen sich ins Fäustchen. Alle fünf Jahre einmal spricht man über Europa und dies ist der Moment, richtig Dampf abzulassen.


Denn es stimmt, dass die Unzufriedenheit in Europa auf dem Vormarsch ist. Sie richtet sich zuerst gegen die nationalen Regierungen, also gegen die Parlamente, die nicht sehr vorhersehend oder erfolgreich gehandelt haben während der Krise. Es gab also die Erwartung, dass die europäischen Institutionen aktiv, effizient und politischer handeln müssten. Und diesbezüglich können sie in vielen Punkten stark kritisiert werden. Doch dies sind genau die Punkte, über die nicht gesprochen wird.



Ja, die institutionelle Praxis der europäischen Akteure muss sich ändern. Sie müssen sich zuerst an die Bürger wenden, bevor sie Dinge unter sich ausmachen. Sind die Regierenden in unseren Hauptstädten sicher, dass wir hier bereit wären, derart von oben bevormundet zu werden, dort, wo manche „alles ändern“ wollen, weil sie nichts verstanden haben oder so tun, als ob sie für die Lage nicht verantwortlich wären.


Europa, das sind wir, das sind zuerst unsere Nationalstaaten, die entschieden haben, in einer noch nie dagewesenen Art und Weise zusammen zu arbeiten, einmalig in der Geschichte. Danach erst ist Europa eine politische Konstruktion, eine Annäherung zwischen den Völkern, die eines Tages, wo sie völlig demokratisch sein wird, neben die Nationalstaaten treten soll. Wir sind noch nicht soweit und im Moment muss Cäsar gegeben werden, was Cäsar gebührt, das heißt die Verantwortung für die Krise liegt bei unseren eigenen Regierungen. Die unterschiedlichen Wirtschaftslagen innerhalb der Union beweisen – wenn ein Beweis notwendig wäre – dass einige mutig voran geschritten sind und schwierige Anpassungsleistungen vollbracht haben und nun gut dastehen, während andere sich gesträubt, betrogen und entzweit haben und nun schlecht dastehen. Und all dies mit einer für alle identischen Europapolitik.


Es kommt hinzu, dass die Art und Weise, wie versucht, wird, unsere Mitbürger für die Wahl zu interessieren, nicht sehr erfolgversprechend ist. Die Wahl politisieren? Gibt es wirklich Rezepte von links und Lösungen von rechts für die Schuldenkrise und für die Haushaltsdefizite? Ist es kein Fehler, diese Wahl zu politisieren, die in erster Linie einem übergeordneten Interesse verpflichtet ist? Und im Hinblick darauf, dass die künftigen rechten und linken Abgeordneten des neuen Parlaments kooperieren müssen?


Die Wahl personalisieren? Gibt es wirklich so viele Unterschiede zwischen den Spitzenkandidaten und ihren Programmen? Sie selbst verneinen dies, da sie wissen, dass es über künstliche Unterscheidungen hinaus gemeinsame Handlungsverpflichtungen gibt, die die Mitarbeit aller erfordern. Weht der Wind der großen Koalitionen durch Europa, das gerade auf dem Weg zur Überwindung der Krise ist?


Tragen all diese Punkte nicht eher dazu bei, die Wähler noch weiter von Europa zu entfernen, statt sie anzunähern? Die Europäer lassen sich nicht von Politikspielchen an der Nase herumführen; sie wissen, dass sich die Welt in andere Richtungen bewegt.


Die Wahrheit ist, dass jeden Tag über Europa geredet werden müsste. Keine nationale Regierungsentscheidung dürfte den Bürgern oder dem Parlament präsentiert werden, ohne gleichzeitige Erklärung der europäischen Zusammenhänge und Hintergründe. Inzwischen hat jeder verstanden, dass es Bereiche gibt, die nur in enger Zusammenarbeit zwischen Nationalstaaten geregelt werden können, die Partner in der Union sind. Diese Partnerschaft wird jedoch nationale Identitäten und Besonderheiten nicht in Frage stellen, die den unersetzlichen Reichtum unseres Kontinents ausmachen. Die europäische Dimension ist ein Plus für das öffentliche Handeln und keine Beschränkung und kein Verlust.


Es gab die Absicht, alte Spaltungen innerhalb der Union wiederzubeleben, doch die Union ist bereits stärker zusammengewachsen, als es sich die Gründungsväter vorzustellen wagten und sie ist zwischenstaatlicher als ihre ewigen Gegner es jemals für möglich gehalten hätten. Die enttäuschende Debatte ist Spiegelbild einer europäischen Krise. Es handelt sich eher um eine Stimmungskrise als um eine Wirtschafts- oder Sozialkrise. Außerhalb seiner Grenzen ist Europa das Ziel aller Träume; im Inneren wurde vergeblich versucht, uns zu demoralisieren. Mit gesundem Menschenverstand und Vernunft werden wir diese beschwerliche Zeit überwinden.


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